Immer wieder backe ich zu einem Geburtstag oder einem anderen Fest schwedische „hallongrottor“, „Himbeerhöhlen“. Für mich heißen sie „hallongrottor“ – wenn es denn sein muss, übersetze ich sie mit „Himbeergrübchen“, das klingt freundlicher als „Himbeerhöhlen“ oder „Ochsenaugen“.
Die ersten dieser Keksen hatte ich vor sechs oder sieben Jahren nach dem Rezept von Birgitta Rasmusson gebacken. Da ich immer wieder nach dem Rezept der Kekse gefragt werde und ich Rasmussons Rezept nur auf Schwedisch weitergeben konnte, versehen mit hingekritzelten Anmerkungen und der Umrechung der Mengenangaben, gebe ich nun das Rezept auf Deutsch so weiter, wie es sich für mich bewährt hat. Doch zuvor will ich erzählen, wie die hallongrottor zu mir gekommen sind.
Im VHS-Schwedischkurs lasen wir 2016/2017 das Buch „Pastor Viveka och tanterna“ von Annette Haaland. Wie schon bei anderen Texten im VHS-Kurs ließ ich mich zu Nachforschungen anregen – diesmal nicht zu schwedischen Gedichten oder Liedern, sondern zum Rezept für hallongrottor.
Eine der „tanterna“, der Damen des Kirchenkaffeekränzchens in Enskede bei Stockholm (jawohl: in Enskede, wo wir vor vielen Jahren Freunde besucht und Geburtstag gefeiert hatten) war Viola Skott: „Enskedes vackraste kvinna med Enskedes vackraste hus, med ljusblåa ögonen“, Enskedes schönste Frau mit dem schönsten Haus und den hellblauen Augen. Viola Skott wird in Haalands Buch nicht lange leben, doch zuvor bekräftigt sie, dass sie diejenige ist, die die besten hallongrottor backt. Dazu ein Auszug aus der deutschen Ausgabe von „Pastorin Viveka und das tödliche Kaffeekränzchen“, Kapitel 7:
Viola hat Ochsenaugen mitgebracht, falls irgendjemand zufällig vergessen haben sollte, dass ihre am besten schmecken: „Wir haben unser Leben lang gebacken … Ich zum Beispiel habe Ochsenaugen gebacken. … Das Rezept stammt von meinem Vater. Die Ochsenaugen meines Vaters waren köstlich.“
Annette Haaland: „Pastorin Viveka und das tödliche Kaffeekränzchen“,
Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2016, S. 37 bis S. 43.
Hier haben wir sie also, die hallongrottor, in der deutschen Ausgabe „Ochsenaugen“ genannt, was nicht dem eigentlichen Rezept entspricht, da hallongrottor – im Gegensatz zu Ochsenaugen – keine Mandelmakronenverzierung haben.
Das von Viola Skott gepriesene Gebäck ist ein einfacher Mürbteig, den man zu Kugeln formt und mit kleinen Vertiefungen versieht, damit diese mit Himbeermarmelade gefüllt werden. Das war’s auch schon – ein einfaches Rezept, ganz ohne den Aufwand, den man bei schwedischem Hefegebäck wie Saffransbullar betreiben muss. Ein weiterer Vorteil von hallongrottor ist, dass man sie am Tag vor dem Fest backen kann und sie auch nochTage nach dem Fest gut zum Kaffee schmecken. Kurz: Sie sind einfach herzustellen und ein dankbares Gebäck, das gut schmeckt – was will man mehr?
Kleine Ausschweifung ins Kaffeekränzchen mit Pastorin Viveka: Viveka will als Ergänzung zu den obligatorischen sieben Gebäcksorten Obst einführen und hält sich beim Treffen an die trockenen Kekse ohne Marmelade, weil die ihr „nicht ganz so süß und ekelerregend erscheinen“ (ebd., S. 39.). Doch nun endlich zum …
Rezept für 30 hallongrottor
Zutaten
- 200 g Butter
- 100 g Zucker
- 1 Teelöffel Vanillezucker
- 1 Teelöffel Backpulver
- 300 g Weizenmehl
- 50 g Himbeerkonfitüre (mit Gabel flüssiggerührt)
- 30 Papierförmchen auf dem Backblech
Und so geht‘s
- Die weiche Butter und der Zucker werden glattgerührt.
- Vanillezucker, Backpulver und Mehl werden gemischt, in den Teig eingerührt (Vorsicht: bröselig) und dann zu einem festen Teig geknetet.
- Der Teig wird zu einer etwa 20 cm langen Rolle geformt und in 30 gleich große Stücke geschnitten.
- Die Teigstücke rollt man zu Kugeln und legt diese in die Papierförmchen auf dem Backblech.
- In jede Teigkugel drückt man mit einem Finger eine Vertiefung, je nach Fingergröße mit dem Zeigefinger oder mit dem kleinen Finger.
- In die Vertiefungen wird knapp 1 Teelöffel Himbeermarmelade gegeben; ich verwende dafür einen kleinen Espressolöffel, das reicht.
- Schließlich werden die Kekse bei 175 Grad etwa 18 Minuten lang gebacken.
- Die Backzeit nutzt man, um die Küche aufzuräumen, bis man endlich das Blech aus dem Backhofen holt und wie Birgitta Rasmusson ein erstes Keks probiert:
„man måste smakprova …“. Vorsicht: heiß!
Wer das Rezept ausprobieren und genauer sehen will, wie es geht, kann den kurzen Film mit Birgitta Rasmusson ansehen. Selbst wenn man den schwedischen Text nicht versteht, sieht man leicht, was zu tun ist, um gute hallongrottor zu backen – so gute hallongrottor wie die nach dem Rezept von Viola Skotts Vater.
Und wer beim Kaffeetrinken und Kekseessen mehr über hallongrottor, über Pastorin Viveka und über Enskede erfahren möchte, findet hier weitere Anregungen:
- Rezept bei VisitSweden
- Rezept von UnderbaraClara
- Sieben Sorten Gebäck
- Mit Pastorin Viveka unterwegs in Enskede
Dankbar für vielerlei Schweden-Impulse und schöne Begegnungen mit Birgitta, unserer Kursleiterin vom Herbst 2005 bis Februar 2018.
Himbeergrübchen, was für ein netter Name! Bei uns zuhause hießen sie tatsächlich Ochsenaugen und gehörten zu unseren Lieblingsweihnachtsplätzchen. Andere sagen Spitzbuben dazu und ich meine, ich hab auch Pfauenaugen als Bezeichnung gehört.
Ich könnte das Rezept für die hallongrottor mal unterm Jahr ausprobieren. Danke für die Anregung
Vielen Dank für Ochsenauge, Spitzbub und Pfauenauge.
Ochsenaugen sind in meiner Familie/Süddeutschland Spiegeleier; Spitzbuben sind Weihnachtsplätzchen, bei denen zwei unterschiedlich große runde Mürbteigplätzchen mit Hagebuttenmarmelade (“Hegenmark”) zusammengehalten werden.
Das ruft nach einer Untersuchung regionaler Unterschiede der Bezeichnungen für unterschiedliche Gerichte: Gleiches Gericht, aber unterschiedliche Bezeichnungen, gleiche Bezeichnung, aber unterschiedliche Gerichte.
*** Wir sollten eine Versuchsreihe starten mit Backen, Benennen und Kosten.