Verschlungen, verwoben, verbunden – verknüpft: Erzählung, Natur und Kunst im Isarauen-Zauberwald

Ganz unterschiedliche Wege haben mich für Freunde der evangelischen Gemeinde eine Verknüpfung herstellen lassen zwischen Literatur, Natur und (Blumen-)Kunst. Mit „Literatur“ ist hier der Text „Oh, oh, die Klematis“ des israelischen Autors Meir Shalev gemeint. „Natur“, das ist der Wald in den Freisinger Isarauen, und die Abschlussarbeit der Blumenkunst-Schülerin Anni Goeke, eine Waldinstallation aus Klematisranken, ist ein besonderes Kunstwerk, das es zu entdecken gilt.

Wie kam es zu dieser Verknüpfung der verschiedenen Stränge, wo fange ich an zu erzählen?

Ich beginne mit dem Text, der Auslöser für die Begegnung wurde: mit Meir Shalevs Erzählung. Schon in Shalevs Romanen findet man das Verweben verschiedener Stränge, wenn beispielsweise in „Der Junge und die Taube“ ein Junge sich auf die Suche nach seiner Herkunft macht. Wer lieber kürzere Texte ohne versponnenen Plot mag, dem empfehle ich Shalevs „Mein Wildgarten“, 2017 im Diogenes Verlag erschienen, übersetzt von Ruth Achlama. Auch in den kurzen Erzählungen über Meerzwiebeln, Anemonen, über Spinnen und Schlangen muss – nein: darf! – man mit Meir Shalev verschlungene Wege gehen und dabei Könige, Naturkundelehrer oder Propheten treffen.

Als ich am 11. April davon erfuhr, dass Meir Shalev gestorben ist, fiel mir – unter all seinen Geschichten – sofort die Erzählung „Oh, oh die Klematis“ ein. Diese geht, so Shalev, auf eine Geschichte von Samech Yishar über ein Erlebnis mit dem Naturkundelehrer Yehoshua Avizohar zurück, die mit dem Ausruf endet: „Oh, oh, die Klematis!“. Auch Shalevs Erzählung endet mit dieser Aufforderung:

Wenn die Seele überbordet oder sich verhärtet und verkrampft – ruft auch ihr laut uns aus vollem Herzen: „Oh, oh, die Klematis!“, und guckt, was geschieht.

Meir Shalev, Mein Wildgarten, S. 334. Diogenes Verlag Zürich, 2017.

Mit Shalevs Klematis im Sinn fiel mir ein Instagram-Beitrag der Fachschule für Blumenkunst Weihenstephan auf, da in diesem das Wort „Klematis“ (bzw. „Clematis“) vorkam. Nein, eine korrekte Vorstellung einer Klematis oder „Waldrebe“ hatte ich beim Lesen nicht vor Augen, ich wusste nur: Das ist eine Pflanze, die sich emporrankt. Ich sah das Foto im Posting genauer an, las den Text dazu – und wurde so neugierig mehr zu erfahren, dass ich der im Text genannten Schülerin schrieb, der Floristin Anni Goeke. Ein paar Messages später trafen wir uns bei der Schule und besprachen die Idee, mit Freunden die Waldinstallation im „Zauberwald“ zu besuchen.

Instagram-Account der Blumenkunst Weihenstephan

Die Begegnung im Wald zu beschreiben geht nur mit Fotos. Besser: Ihr geht selbst zur Waldinstallation in den Isarauen oder folgt der blumenkunst_weihenstephan und entdeckt eigene Wege und Kunstwerke, die euch ansprechen.

Shalevs Text und Anni Goekes Kunstwerk freilassen: Probiert es selbst, windet Worte oder Pflanzen zu Kunstwerken, besucht Annis Installation oder auch ihren Instagram-Account botanicalatelier_anni und schaut, wie sich der Wald mit den Klematiskugeln weiterentwickeln wird.

Die Idee:
Clematiskugelwald ohne weitere Hilfsmittel an Bäumen hängend
Naturkunst
Verschlungener Pfad
Große und kleine Kugeln …
… am Boden liegend, in den Zweigen hängend, den Baum umfassend
Geschafft!

Zur Information:
Die Klematis in den Freisinger Isarauen ist keine „Brennende Waldrebe“ mit gelblichen Blüten (wie bei Yishar/Avizohar) und auch keine „Macchien-Waldrebe“ mit weißlichen Blüten (wie in Shalevs Garten), sondern eine „Gewöhnliche Waldrebe“ mit weißen Blüten, „Clematis vitalba“, wie man sie im „Botanischen Informationsknoten Bayern“ angezeigt bekommt.

Gesungen haben wir auch, und zwar das „Friedensnetz“ von Peter Janssens.

Der Wildgarten im Zauberwald
Aus einem Zeitungsartikel Shalevs von 2013 mit Avizohar vor gelb blühender Klematis

Abschweifung zum Abschluss:
Bei der Vorbereitung unseres Treffens wollte ich mehr wissen über das Wort „Klematis“. Google lieferte die Übersetzung: „הו הו הזלזלת“.
Damit landete ich bei einem Beitrag, in dem Yishars Text auf Hebräisch gelesen wird. Bei den ersten und den letzten Worten im Video kann man den Sprecher hören, wie er sagt:

„הו הו הזלזלת“,
„Ho Ho Ha-Salselet“,
„Oh, oh, die Klematis!“

7 Gedanken zu „Verschlungen, verwoben, verbunden – verknüpft: Erzählung, Natur und Kunst im Isarauen-Zauberwald

  1. Mariesf

    Von Text und Bildern angesprochen trage ich ein Haiku bei:

    zauberhaft verknüpft
    Worte und Ranken blühen
    im Friedensnetz

    Danke für die Assoziationen und Inspirationen. Den Wald möchte ich auch besuchen.

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  2. Birgitta Sutor

    Mirjam, Bilder und Text machen gleich Lust darauf, selbst hinzugehen. Danke dafür! Der Wildgarten von Meir Shalev ist eines meiner Lieblingsbücher.

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