Singen, üben, musizieren – mit der Autoharp

Seit einem halben Jahr besitze ich eine Autoharp, und darüber bin froh, besonders in diesem Frühjahr, in dem so vieles nicht möglich sein darf.

Die Autoharp ist ein Instrument, ähnlich wie eine Gitarre: Sie hat viele Saiten und zu den Akkorden der Autoharp kann ich das singen, wonach mir gerade zumute ist. Hauptsache, die Lieder haben die für meine Autoharp passenden Akkorde.

Auf den ersten Blick sieht die Autoharp wie eine flache Gitarre aus, deren Saiten über den Holzkörper gespannt sind und ab und zu gestimmt werden müssen. Bei meiner Autoharp sind es 36 Saiten:

F, G, C, D, E, F, Fis, G, A, Ais, B,
C, Cis, D, Dis, E, F, Fis, G, Gis, A, Ais, B,
C, Cis, D, Dis, E, F, Fis, G, Gis, A, Ais, B, C.

Anstelle eines Gitarrenhalses, auf dem man mit den Fingern die Akkorde greift, hat die Autoharp Tasten. Diese sehen bei meiner Autoharp wie die Tasten einer Schreibmaschine aus, doch statt Buchstaben stehen auf den 21 Tasten (je 7 Tasten verteilt auf drei Reihen) Akkordnamen:

Drückt man beispielsweise die C-Dur-Taste, dann werden über die Taste Filze auf die Saiten gelegt, die man für den C-Dur-Dreiklang nicht benötigt – so schwingen nur die Saiten, die in einem C-Dur-Dreiklang vorkommen, also C, E und G. Die Tasten der Autoharp ersetzen quasi die Griffe bei der Gitarre.

Alle Saiten sind frei schwingend.
Durch Filze abgedeckte Saiten neben frei schwingenden Saiten für C-Dur

Das erste Mal sah und hörte ich eine Autoharp vor rund 25 Jahren: Unser Freund Siegfried alias „Ziggy Harpdust“ spielte zu unserer Hochzeit ein Ständchen auf seiner Autoharp. Bei späteren Besuchen ließ er uns teilhaben an seinem Wissen über die Autoharp, nachzulesen auf Ziggys Website.

In den USA gab bzw. gibt es eine weite Verbreitung des Instruments, es wird vor allem bei Country Music gespielt. Das Vorgängermodell der Autoharp wurde wohl als sogenannte „Volkszither“ um 1880 in Sachsen entwickelt. Fast zeitgleich, 1882, wurde in den USA bereits eine Fabrik zur Produktion des Instruments aufgebaut und ab 1884 wurde dort das Instrument unter dem Namen „Autoharp“ vertrieben. (Genaueres zu den Hintergründen der Entwicklung, zu den Patentanmeldungen und zum Vertrieb der Autoharp s. den Kommentar von Siegfried Knöpfler am Ende dieses Beitrags).

Wenn man sich auf die Suche nach Autoharp-Spielerinnen und -Spielern macht, wird man schnell fündig, beginnend bei der Carter Family mit „Wild Flower“ und bei Johnny Cash und June Carter Cash, im Film „Walk the line“ gespielt von Joaquin Phoenix and Reese Witherspoon, und Dolly Parton mit dem „Coat of many colors“.

Mein Interesse an der Autoharp wurde vor einem halben Jahr wiederbelebt, als wir an den Bodensee zu Ziggys Geburtstagsfeier eingeladen waren. Bei diesem Fest konnten wir erleben, wie unterschiedlich man mit der Autoharp Musik machen kann: Ziggy zupfte mit einzelnen Saiten die Melodie, Alexandre Zindel spielte bekannte Lieder, bei denen das Publikum mitsingen konnte, dazu trug er auch eigene Kompositionen vor. Die aus Dänemark stammende Sängerin Alice Rose spielte eigene Kompositionen, u. a. den „lonely wolf“.

Zurück von der Geburtstagsfeier wollte ich endlich einmal selbst eine Autoharp in den Händen halten und darauf spielen. Ich suchte im Internet … – und fand nichts. Zwar hätte ich über das Internet ein Instrument kaufen können, allerdings ohne es vorher anzusehen oder auszuprobieren. Dabei wollte ich ja erst einmal feststellen, ob ich mit dem Instrument überhaupt etwas anfangen könnte.

Nach einigem Suchen entdeckte ich schließlich ganz in der Nähe den Namen einer Frau, die mit einer Autoharp Musik gemacht hatte, dazu eine E-Mail-Adresse. Ich schrieb ihr – und bekam kurz darauf eine Antwort mit ihrer Telefonnummer. Wir vereinbarten ein Treffen, und bei meinem Besuch zwei Tage später bei Waltraud Obersojer erfuhr ich mehr über sie und die „Feldmochinger Sängerinnen“. Ursprünglich hatten sich die Feldmochinger Sängerinnen bei ihren Auftritten von einem Zitherspieler begleiten lassen. Als ein Bekannter ihr 2004 von einer USA-Reise eine Autoharp mitgebracht hatte, waren die beiden Sängerinnen unabhängig, da sie sich nun selbst begleiten konnten bei ihren Auftritten mit bayrischer Volksmusik, Moritaten, Küchenliedern und Gstanzl.

Die beiden Sängerinnen hatten sich vor ein paar Jahren entschlossen, mit dem Auftreten aufzuhören, daher wurde für die Autoharp ein Abnehmer gesucht. So konnte ich die Autoharp ausleihen und zu Hause darauf üben. Einen Monat später überließ mir die bisherige Besitzerin ihre Autoharp. Angeblich gibt eine Autoharp bei einem Besitzerwechsel ihre „Seele“ von einem Besitzer an den nächsten weiter. Und so erfreue ich mich nun seit einem halben Jahr an meiner Autoharp mit bayrischer Seele.

Diese Autoharp, die bisher zu bayrischer Volksmusik gespielt wurde, begleitet mich nun beim Singen der Lieder, zu denen ich Noten habe, beim Singen von …

  • Kinderliedern, Protestsongs, Balladen etc. aus den Heften des Verlags „Student für Europa“ oder dem „Liederbuch“ von M. Korth und W. Schmöger
  • kirchlichen Liedern aus dem (bayrischen bzw. württembergischen) evangelischen Kirchengesangbuch
  • schwedischen Liedern aus „Den Svenska Sångboken“

Weitere Informationen:

Ein Gedanke zu „Singen, üben, musizieren – mit der Autoharp

  1. Siggi

    Liebe Mirjam,
    im Absatz, der mit “Das Vorgängermodell der Autoharp” beginnt, wird nach meinem Empfinden der Eindruck erweckt, dass deutsche Auswanderer das Instrument nach Amerika gebracht haben. Dem ist aber durchaus nicht so!
    Zwar wurde die Idee der selektiven Saitendämpfung um 1880 herum von Carl August Gütter in Sachsen entwickelt, das Patent dafür hat er erst 1884 zusammen mit dem Instrumentenproduzenten Hermann Lindemann erhalten, der den Patentantrag finanziert hatte, weil er selbst in die Autoharp-Produktion einsteigen wollte und eine Möglichkeit suchte, den konkurrierenden Autoharp-Import aus Amerika zu behindern. In den USA hatte der Akkordeon-Techniker und Geschäftsmann Charles F. Zimmerman (der als Carl Zimmermann bereits um 1860 aus Sachsen in die USA ausgewandert war, um im Akkordeon-Laden seines vorher ausgewanderten Bruders (oder Cousins?) Reparaturen zu machen) bereits ab 1882 eine Fabrik zur Autoharp-Produktion aufgebaut; er war es auch, der die Bezeichnung “Autoharp” erfunden hat. (Es wird spekuliert, dass C.F. Zimmermann um 1880 bei einem Besuch in der alten Heimat die Güttersche Idee kennen gelernt hat.)
    Was die Richtung der Wanderungsbewegung der Autoharp betrifft, war sie also der Wanderungsrichtung der deutschen Auswanderer genau entgegengesetzt.

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